Gesetzesnovelle zum Thema Scheinselbstständigkeit: Zum 01. Januar 2017 tritt der neue Paragraph 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Kraft. Originär als berechtigte Schutzmaßnahme für Arbeiter im Niedriglohnsektor konzipiert, weckt die Neuerung bei vielen Unternehmen, die externe Experten wie beispielsweise Interim Manager mandatieren, Unbehagen. Mit dem neuen Gesetz wird der unternehmerische Spielraum sowohl für Unternehmen als auch für Freiberufler eingeschränkt und das Risiko, dass eine Scheinselbstständigkeit unterstellt wird, erhöht.

Wenn Interim Manager als Selbstständige eingesetzt werden, de facto aber wie Arbeitnehmer auftreten und daher auch als Beschäftigte im Sinne von § 7 SGB IV angesehen werden müssen, entstehen zahlreiche gravierende Rechtsfolgen:

Arbeitsrecht: Der Interim Manager könnte sich darauf berufen, in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, bei dem sämtliche arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen greifen (Urlaub, Entgeltfortzahlung, Kündigungsschutz etc.).

Steuerrecht: Der Interim Manager stellt Rechnungen, bei denen Umsatzsteuer entrichtet wurde. Wenn die Tätigkeit aber als Beschäftigung zu beurteilen ist, wäre Lohnsteuer fällig gewesen, für die auch das Unternehmen in der Rolle als Arbeitgeber haften würde.

Sozialversicherungsrecht: Für den Interim Manager werden während seines Einsatzes keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt (Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung). Für die (Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-) Beiträge würde das Unternehmen auch rückwirkend haften.

Strafrecht: Da keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, könnte der Tatbestand des § 266a StGB (Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen) Anwendung finden. 

Aber es wird auch weiterhin für Unternehmen möglich sein, externe Expertise ins Haus zu holen und zu mandatieren. Hierbei müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein, um eine Scheinselbstständigkeit nach den neuen Kriterien zu exkludieren. Sowohl die Unternehmen als auch die Interim Manager selbst können ihren Teil dazu beitragen, ein gesetzeskonformes Vertragsverhältnis zu schaffen. Prämisse dafür sind eine intensive Kommunikation im Vorfeld über die Bedingungen der Mandatierung sowie der darauf ausgelegte Vertrag

Neue Kriterien für Scheinselbstständigkeit

Grundlage des neuen Paragraphen 611a ist ein fester Regelkatalog, anhand dessen eruiert werden soll, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist ein Arbeitnehmer (in Abgrenzung zu einem Selbstständigen) eine Person, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG, Urt. v. 27.09.2012 – 2 AZR 838/11). Für die Abgrenzung zu anderen Rechtsverhältnissen sind damit die vertragliche Verpflichtung zur Dienstleistung und die persönliche Abhängigkeit (Weisungsgebundenheit) maßgebend. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (BAG, Urt. v. 15.02.2012 – 10 AZR 301/10).

Generell kann konstatiert werden, dass alles als Indiz für eine Scheinselbstständigkeit gewertet wird, was das freie Agieren eines Freiberuflers einschränkt. Es ist also wichtig, von solchen Regelungen abzusehen, wenn man das Risiko einer Scheinselbstständigkeit vermeiden möchte.

Einige Beispiele, die Indikatoren für eine Scheinselbständigkeit sind:

  • Im Vertrag mit dem Interim Manager sind arbeitsrechtlich relevante Details geregelt, wie etwa die tägliche Arbeitszeit oder Pausenzeiten, Urlaubsregelungen, etc.
  • Der Freiberufler kann nicht frei über die Einsatzzeit oder den Einsatzort entscheiden 
  • Der Freiberufler nutzt Systeme des Kunden, z.B. Mailadresse des Unternehmens, und ist fest in die Organisation des Unternehmens eingebunden, z.B. in dem Organigramm des Unternehmens explizit aufgeführt, etc.

Bei dem Begriff der Weisungsgebundenheit unterscheidet die Rechtsprechung allerdings zwischen einer projektbezogenen und arbeitgeberbezogenen Weisung.

Auch dem Malermeister, den Sie für den Anstrich Ihres Hauses engagieren, werden Sie sagen können, wann er Zutritt zu Ihrem Haus bekommt und welche Farbe Ihr Haus haben soll. Keiner käme hier auf die Idee, von einer arbeitgebergebundenen Weisung zu sprechen.

Viele dieser Punkte können beim Einsatz von Interim Managern bzw. operativen Beratern vermieden werden, indem eine dezidierte Projektgebundenheit vorliegt, d.h. der Interim Manager ist mandatiert, um eine bestimmtes Projekt zu steuern. So lässt sich das Risiko der Scheinselbstständigkeit minimieren.

Risikovermeidung auf Seiten der Unternehmen

Auf Unternehmensseite ist es wichtig, nachzuweisen, dass durch Mandatierung des Interim Managers eine Expertise / Management Ressourcen eingekauft wird, die im eigenen Haus nicht bzw. nicht im ausreichenden Maße vorhanden ist. Beispiel ist das Ramp-up Management eines Automotive Zulieferers oder die Beantwortung der Frage, ob ein Unternehmen bestimmte Prozesse outsourced oder Inhouse betreibt, z.B. Lohnbuchhaltung, Flotten-Management, Kantine, IT-Services, etc. Auch die Umstellung eines HGB-Reportings auf ein IFRS-Reporting kann als Beispiel genannt werden. Die Liste an Themen und Fragestellungen, die dann auch operativ umgesetzt werden, ließe sich unendlich lang fortführen. 

Bei der Positions- bzw. Aufgabenbeschreibung sollten keine Vergleiche mit Positionen oder internen Stellenbeschreibungen, die sich in einem ähnlichen Aufgabenbereich bewegen, vorgenommen werden, sodass nicht auf eine feste Eingliederung im Betrieb geschlossen werden kann. Auch sollte die Projektbeschreibung exakt formuliert sein und die Außerplanmäßigkeit des Einsatzes betont werden. Eine zu allgemeine Beschreibung des Projektauftrags sollte vermieden werden. Der Interim Manager sollte seine Tätigkeit zudem zeitlich frei und unabhängig durchführen können. Im Vertrag sollten keine risikobeschränkenden Leistungen verankert werden. Es dürfen also keine Lohnfortzahlung bei Krankheit, keine Urlaubstage und keine leistungsunabhängigen Zahlungen vorgesehen sein, um das Risiko einer Scheinselbstständigkeit vermeiden zu können.   

Risikovermeidung auf Seiten des Interim Managers

Auch auf Seiten des Interim Managers können Maßnahmen ergriffen werden, die das Risiko der Unterstellung einer Scheinselbständigkeit vermeiden bzw. minimieren. Hierzu gehört beispielsweise ein professioneller Internet-Auftritt, der das Leistungsprofil des Interim Managers klar darstellt, sowie gegebenenfalls eine rechtliche Einheit in Form einer GmbH oder AG, durch die er seine Leistungen anbietet. Hilfreich sind auch bewusst vereinbarte Regressregelungen, die im Vertrag mit dem Unternehmen aufgenommen werden. Diese unterstreichen, dass der Interim Manager als Unternehmer agiert und nicht als abhängig Beschäftigter. Visitenkarten, die den Status als unabhängiger Berater, der für ein Unternehmen lediglich zeitweise mandatiert wird, hervorheben, gehören in diesem Kontext zu einer Selbstverständlichkeit. 

Empfehlenswert ist zudem eine Verbandszugehörigkeit wie eine Mitgliedschaft im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU). Um den Eindruck zu vermeiden, ausschließlich oder vorrangig für ein einzelnes Unternehmen tätig zu sein, ist es wichtig, mehrere Kunden zu betreuen bzw. einen Kundenstamm nachweisen zu können. 

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, der Notwendigkeit der Unternehmen, immer flexibler auf Marktentwicklungen zu reagieren und dem Wunsch gut ausgebildeter und exzellent bezahlter Menschen, sich ihre Arbeits- und Projektwelten selbst auszusuchen, ist dieses Gesetz ein weiterer Schritt zu einer überregulierten Arbeitswelt und einer staatlichen Bevormundung.