„Die Autoindustrie wird sich in den nächsten 5 bis 10 Jahren mehr verändern als in den letzten 50.“ Diese Aussage von Mary Barra, der CEO von General Motors, ist richtungsweisend. Die Automobilbranche befindet sich in einem fundamentalen Umbruch. Treiber sind zum einen die in allen Industriezweigen fortschreitende Digitalisierung – hier Stichwort autonomes Fahren, die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien (Elektro- und Kohlenwasserstoffantrieb versus Diesel / fossile Brennstoffe, ein grundlegender Wandel des Kauf- und Konsumverhaltens (Weg vom Kauf eines Fahrzeugs hin zu einer friktionslosen Mobilität) sowie eine zunehmender restriktiverer Umweltpolitik vor dem Hintergrund des sich beschleunigenden Klimawandels.

Spätestens ab 2030 sollen in der gesamten Europäischen Union keine herkömmlichen Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr zugelassen werden, so eine Stellungnahme des Bundestags. Die Produktion von emissionsfreien Elektrofahrzeugen wird ein Kernthema in der Neuausrichtung der Branche darstellen. Hier sind andere Länder der deutschen Industrie schon um einiges voraus: Laut einer Analyse des Center of Automotive Management (CAM) werden in China 17-mal mehr Elektroautos abgesetzt als in Deutschland. Das meistverkaufte Elektroauto der Welt stammt vom japanischen Hersteller Nissan. Experten sehen die Zukunft des Automobils daher in Asien, sollte die deutsche Industrie sich nicht ausreichend schnell auf die geänderten Umstände einstellen. Damit verbunden ist auch ein Wandel der Anforderungen an die Arbeitsplätze in der Automobilbranche.

Die Umstellung auf Elektromotoren benötigt neues Know-how

China beabsichtigt bereits ab 2018 eine politisch bestimmte Quote an Elektroautos auf den Straßen zu haben. Wollen deutsche Hersteller auf einem der größten Absatzmärkte konkurrenzfähig bleiben und ihre Marktanteile weiter ausbauen, müssen sie das Thema alternative Antriebstechnologien beherrschen und massiv vorantreiben, um hier ihre bisherige Technologieführerschaft beizubehalten. Entsprechend müssen weite Teile der Wertschöpfungskette neu konfiguriert werden. Angefangen von F&E, Produktion, Vertrieb, aber auch After Sales sowie der Schaffung und Organisation einer flächendeckenden Infrastruktur, die es Autofahrern erlauben, Ihre Fahrzeuge komfortable und schnell aufzuladen.

Auch personalpolitisch stehen der deutschen Automobilindustrie herausfordernde Zeiten entgegen: Bis zu 1,5 Millionen Arbeitskräfte könnten in den nächsten acht Jahren verloren gehen. Ein Grund hierfür ist die Tatsache, dass Verbrennungsmotoren deutlich komplexer und schwieriger zu produzieren sind als Elektromotoren der Zukunft. Doch nicht nur vereinfachte Produktionsprozesse und damit ein geringerer Ressourceneinsatz spielen eine Rolle. Auch die Anforderungen und Qualifikationen der Mitarbeiter in der Industrie werden sich grundlegend ändern.

Bedarf an Arbeitsplätzen verlagert sich

So werden auf der einen Seite zahlreiche Arbeitsplätze in der Automobilbranche wegfallen. Auf der anderen Seite entsteht jedoch neuer Bedarf. Benötigt werden Fachkräfte, spezialisiert auf Elektronik, Ingenieure mit dem Schwerpunkt alternative Antriebstechnologien sowie IT-Experten für das Thema autonomes Fahren.

Eine Studie von McKinsey prognostiziert, dass der Markt für Komponenten von Elektromotoren bis zum Jahr 2030 doppelt so groß sein wird wie für herkömmliche Motoren-Bauteile. Eine Chance für die Zulieferer, die sich den Veränderungen rechtzeitig stellen und ihre Produktion auf die neue Technologie umrüsten. Auch das wachsende Interesse an selbstfahrenden Autos bietet deutschen Produzenten eine Chance diese Technologie zu entwickeln und das Marktpotenzial zu erschließen.

Jobs sollen im eigenen Haus gehalten werden

Zwar ist nicht mit einem Umbruch von heute auf morgen zu rechnen. McKinsey-Experte Andreas Tschiesner rechnet mit einer Übergangszeit von zehn bis fünfzehn Jahren. Die Weichen werden in der Industrie allerdings schon jetzt gestellt. Dies ist auch den Herstellern bewusst. Nach aktuellem Stand müsste ein Großteil der Wertschöpfungskette von deutschen Unternehmen ins Ausland verlagert werden, da die erforderlichen Produktionskapazitäten für Batterien hierzulande derzeit nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. Demgegenüber baut Tesla in Arizona gemeinsam mit Panasonic Corporation und anderen Zulieferern eine Giga-Fabrik für Lithium-Ionen-Zellen und Batteriepakete, die ab 2018 etwa 500.000 Elektroautos jährlich mit preisgünstigen Batteriepaketen versorgen soll.

Die Fabrik soll die bisherigen Kosten für Batterien um 30 Prozent senken und die geplanten Produktionssteigerungen ermöglichen. Ziel ist, jährlich Zellen mit 35 GWh Gesamtkapazität herstellen zu können. Die geplante Produktion von 35 GWh Zellen pro Jahr wäre damit größer als die gesamte weltweite Produktion im Jahr 2013.

Zwar konnte Deutschland seinen Rückstand in der Batterieforschung für Lithium-Ionen-Batterien laut Fraunhofer-Institut inzwischen aufholen – die Forschung bewegt sich hier auf einem hohen Niveau. Noch immer ist Deutschland jedoch kein Leitmarkt für Fahrzeugbatterien, gemessen an Indikatoren wie Patentanmeldungen, Batterie-Produktionskapazitäten oder Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen. Führend sind hier China und die USA. Asiatische Unternehmen gelingt es zudem in vielen Fällen, die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken.

Diesem Szenario werden sich die Hersteller und ihre Mitarbeiter jedoch nicht unbedingt kampflos ergeben: „Wir wollen, dass es diese Jobs in unseren Fabriken und Büros gibt […]“ zitiert die Süddeutsche Zeitung beispielsweise den Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht. Kommt es jedoch tatsächlich bis 2025 zur flächendeckenden Umstellung auf Elektroautos, dürfte zumindest für die Mitarbeiter in Wolfsburg eine ungewisse Zeit beginnen: In diesem Jahr laufen auch die Arbeitsplatzgarantien bei VW aus.