In den letzten Jahren haben nicht nur internationale Konzerne sondern auch mittelständische Unternehmen ihr Wachstum durch Unternehmensakquisitionen und eine Diversifikationsstrategie forciert. Hierbei wurden häufig administrative Bereiche (IT, Buchhaltung, HR-Services, etc.) konzernweit zentralisiert.

Im Rahmen strategischen Neuausrichtung (weg von der Diversifikation hin zur Fokussierung auf das Kerngeschäft) wurden die zum Teil mühselig (teil)integrierten Unternehmen zu „Questions Marks“ in den Portfolios der Unternehmen. Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, nicht nur einen passenden Investor zu finden, sondern auch die vormals zentralisierten IT-Strukturen wieder in das zu verkaufende Unternehmen zurück zu integrieren.

Welche Herausforderungen und Fragestellungen ergeben sich sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer eines Unternehmens, dessen IT-Abteilung zuvor von dem verkaufenden Unternehmen zentralisiert wurde?

Während der Due Diligence: Festlegung der Roadmap

Für den Käufer wird spätestens während der Due Diligence deutlich, dass er ein Unternehmen erwerben wird, das ohne eine eigenständige IT-Infrastruktur und ohne IT-Fachkräfte dasteht. Insbesondere wenn es sich bei dem potentiellen Käufer um einen Finanzinvestor handelt, stellt sich die Frage: Wer hat die Expertise, die IT-Strukturen im erworbenen Unternehmen auszubauen bzw. vom verkaufenden Unternehmen zu transferieren?

Bevor dieser Schritt geplant und budgetiert werden kann, müssen die IT-Dienstleistungen der bisherigen Muttergesellschaft sowie weiterer IT-Dienstleister aufgenommen werden. Gleiches gilt für die IT-Infrastruktur und die zugrundeliegenden Lizenzverträge. Auch müssen die aktuellen Kosten erfasst bzw. abgeschätzt werden, welche die Arbeitsteilung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft im IT-Bereich verursacht.

Für eine realistische Aussage bzgl. der Kosten sowie der nötigen Investitionen muss die „Roadmap“ der zukünftigen IT-Infrastruktur definiert werden. Hierzu bedarf es des Sachverstands eines IT-Experten, der idealerweise unabhängig ist.

Sind die existierenden Systeme veraltet, könnte es ökonomisch sein, eine komplett neue IT-Infrastruktur zu schaffen. Dies ist meist nicht einfach, da häufig in den Altsystemen unternehmensspezifische Logik programmiert ist, die schlecht oder gar nicht dokumentiert wurde. Gleiches gilt für EDI-Schnittstellen.

Verkaufsverhandlungen: Kosten & Investments für IT-Strukturen werden definiert

Im Rahmen der Verkaufsverhandlungen muss zwischen Verkäufer und Käufer u.a. folgende Fragen geklärt werden: Was ist das Unternehmen wert? Wie hoch werden die voruassichtlichen Carve-Out-Kosten sein? In welcher Form beteiligen sich die Parteien an den Carve-Out-Kosten und -Investments?

Die Vertragsparteien müssen eine gemeinsame IT-Strategie für das zu verkaufende Unternehmen entwickeln. Dafür muss klar sein:

  • Auf welcher IT-technologischen Basis wird das Unternehmen fortgeführt?
  • Wie lange erbringt die bisherige Muttergesellschaft die IT-Dienstleistungen im Rahmen der Transformationsphase (Abkoppelungsphase)?
  • Zu welchen Konditionen und zu welchem Preis erbringt sie diese?
  • Wie wird mit den bisherigen Software-Lizenzen verfahren?
  • In welchem Umfang können IT-Eigenentwicklungen der Muttergesellschaft zukünftig von dem zu verkaufenden Unternehmen weiterhin genutzt werden?
  • Wie hoch werden die IT-Investitionen zur Rückintegration der IT-Strukturen sein?
  • Wie hoch sind die zusätzlichen, laufenden IT-Kosten für das zu verkaufende Unternehmen nach der Abkoppelung von den zentralen IT-Dienstleistungen und damit den prognostizierten EBIT nachhaltig beeinflussen?

Aus diesem Grund muss auch mit allen bisherigen Software- und sonstigen IT-Dienstleistern darüber verhandelt werden, zu welchen Konditionen das zu verkaufende Unternehmen die lizenzierte Software während einer Übergangsphase nutzen kann. Nicht selten entscheidet der Ausgang dieser Verhandlungen darüber, ob der Verkäufer und der potenzielle Käufer handelseinig werden.

Ein negativer aber unvermeidbarer Nebeneffekt ist der faktische Kontrahierungszwang, dem ein potentieller Käufer in diesem Fall gegenüber Software-Lieferanten ausgesetzt ist. Zudem erweitert sich durch die Verhandlungen der Kreis derjenigen, die von der möglichen Transaktion Kenntnis erhalten. Dies kann insbesondere bei börsennotierten Unternehmen zu Unwegsamkeit führen.

Closing der Transaktion: Konditionen müssen genau geregelt werden

Einigen sich Käufer und Verkäufer auf einen angemessenen Unternehmenswert, gilt es, die Vertragskonditionen im Rahmen des Closing genau zu regeln.

Unter dem Gesichtspunkt der IT-mäßigen Ausgliederung des zu verkaufenden Unternehmens ergeben sich folgende Fragestellungen:

Wie lange erbringt die ehemalige Muttergesellschaft die IT-Dienstleistungen für das zu veräußernde Unternehmen?

Erfahrungsgemäß sollte hier eine Übergangsfrist von sechs bis acht Monaten festgelegt werden. Der Käufer hat in der Regel ein Interesse an einer möglichst langen Übergangsfrist, um eine „Fall-back-Position“ zu haben. Umgekehrt will der Verkäufer diese Periode möglichst kurz halten, um anschließend seine IT-Kapazitäten den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Welche konkreten IT-Dienstleistungen erbringt der Verkäufer während der Übergangsphase?

Im Rahmen des Vertrages ist detailliert festzulegen, um welche Art von IT-Support es sich handelt, und wie die Qualität zu spezifizieren ist. Dies betrifft z.B. Response Time, Change Requests, Service-Zeiten, etc. Auch hier ist es ratsam, dass der Käufer entsprechende Expertise einholt. Darüber hinaus sollte bereits im Kaufvertrag festgelegt werden, inwieweit der Verkäufer auch im Rahmen der IT-Ausgliederung unterstützt und das Projekt aktiv mitgestaltet. Idealerweise werden hier IT-Experten benannt werden, die für das Projekt ganz oder teilweise freigestellt werden.

Zu welchem Preis werden die IT-Dienstleistungen von dem Verkäufer erbracht?

Der Verkäufer wird ein Interesse haben, die Leistungen möglichst auf Vollkostenbasis und mit einer Marge zu verrechnen. Umgekehrt wird der Käufer versuchen, nur die Grenzkosten für die Leistungen zu entrichten. Ausgangspunkt sind grundsätzlich die IT-Lizenzgebühren gegenüber Dritten, Abschreibungen auf die Hardware-Komponenten sowie die Kosten der IT-Mitarbeiter, die der Verkäufer zur Verfügung stellt. Je transparenter diese Kostenkomponenten gemacht werden, umso eher ist hier ein Konsens möglich.

Post-Merger Integration: Käufer sollte Know-how einholen

Nachdem die Kaufverträge unterschrieben sind, beginnt für die IT-Spezialisten die eigentliche Arbeit. Der Erfolg eines solchen Projektes bestimmt in vielen Fällen darüber, ob der Erwerb für den Käufer zu einem erfolgreichen Investment führt oder nicht. Es gibt unzählige Beispiele, bei denen ein aus strategischer Sicht sinnvoller Unternehmenskauf sich aufgrund der IT-Ausgliederung zu einem Fiasko entwickelte.

Damit dies nicht geschieht, sollte ein gemischtes Team von IT-Spezialisten des Verkäufers sowie des Käufers bzw. des verkauften Unternehmens etabliert werden. Nicht selten befinden sich in dem verkauften Unternehmen nur noch IT-Mitarbeiter, die den „2nd Level Support“ verantworten. Das heißt: Sie stellen lediglich den Nutzer-Service bereit. In diesen Fällen ist es notwendig, dass der Käufer entsprechendes Know-how intern oder extern, z.B. über Interim Manager stellt.

Dies ist erfolgskritisch, da ansonsten die IT-mäßigen Interessen des Käufers nicht ausreichend vertreten und berücksichtigt werden. In der Regel ist es nicht zielführend, die IT-Strukturen eins zu eins von dem Verkäufer zu übernehmen.

Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor ist, dass das (neue) Management des verkauften Unternehmens den Projektfortschritt, die Kostenentwicklung sowie die Beurteilung der geplanten und tatsächlichen Investitionen regelmäßig kontrolliert.